17.112 Kilometer quer durch Chile und Argentinien – ein Fazit

Nach 17.112 Kilometer bzw. 4 Monaten mit Auto und Dachzelt quer durch Chile und Argentinien ist es Zeit für uns, Resümee zu ziehen. Von Santiago ging es immer Richtung Süden entlang der chilenischen Küste, quer durch Patagonien bis nach Ushuaia auf Feuerland und zurück über die Ruta 3 und Ruta 40 durch Argentinien. Was hat uns gefallen, was können wir weiterempfehlen, wovon abraten und was waren unsere Enttäuschungen?

Auto, Bus oder Flugzeug

Fitz Roy - Cerro Torre0064 Monate reichen bei weitem nicht aus, um Argentinien und Chile komplett mit dem Auto zu bereisen. Die Distanzen sind zu gewaltig und die Straßenverhältnisse – vor allem in Argentinien – zu schlecht. Wir haben andere Reisende getroffen, die mit einer Kombination aus Flugzeug, Bus und Mietwagen deutlich mehr Strecke bewältigt haben und so mehr Städte und Nationalparks besuchen konnten.

Für uns war jedoch das spontane Reisen, trotz teilweise langer Fahrtagen, spannender. Wir konnten uns treiben lassen, Neues entdecken und Empfehlungen von anderen Reisenden sowie von Locals folgen und haben so immer wieder neue Spots entdeckt, mit denen wir nie gerechnet hätten. Außerdem waren wir mit unserem eigenen Auto unabhängiger von Restaurants oder Hostels und konnten genau dort stehen, wo es uns gefiel. Nachdem der 4×4 repariert war, war es uns ebenfalls möglich, Pisten zu befahren, die ein normales Auto oder auch ein großer Camper nicht geschafft hätte bzw. andere Backpacker nie erreichen würden.

Dachzelt oder Camper

Torres del Paine008Mit unserem Dachzelt waren wir fast immer der absolute Hingucker. Es gab kaum einen Campingplatz oder freien Platz, an dem wir nicht auf unsere „Unterkunft“ angesprochen wurden. Ohne Wind und Müll wäre unser Dachzelt sicherlich zu 100% perfekt gewesen. Aber gerade in einigen Teilen Patagoniens und der Argentinischen Pampa war das Dachzelt ein kompletter Ausfall. Vielleicht wäre hier ein VW-Bus oder ähnliches besser und bequemer gewesen. Außerdem bietet ein Bus bessere Rückzugsmöglichkeiten –  an nicht ganz so schönen Plätzen und bei Regen muss dann nicht im Freien gekocht werden.

Kaufen oder Mieten

Mit dem gekauften Auto mussten wir uns vor keiner Mietagentur rechtfertigen und konnten unseren Roadtrip spontan um einige Wochen verlängern. Auf der anderen Seite sind 4 Monate für die Anschaffung eines Autos + Equipment schon extrem kurz. Ist die Rechnung Mietwagen vs. Kauf aufgegangen? Es kommt drauf an. Verglichen mit einem einfachen Wicked-Camper kaum, verglichen mit einem vergleichbaren Gefährt auf jeden Fall.

Wild stehen oder Campingplatz

Fast immer standen wir außerhalb von Campingplätzen schöner! Wenn wir nicht gerade auf die Infrastruktur eines Campingplatzes (Dusche, Windschutz) angewiesen waren und es eine Alternative gab, haben wir uns fürs Freistehen entschieden und so zum Teil atemberaubende Orte entdeckt. So konnten wir alleine oder ggf. mit ein paar anderen Campern die Natur bzw. Aussicht in vollen Zügen genießen. Insbesondere die App iOverlander hat uns hier mit Stehplatzempfehlungen super Dienste geleistet.

Selber kochen oder essen gehen

San Juan de la Costa27Bis auf wenige Ausnahmen waren die meisten Restaurants relativ teuer und nicht sonderlich gut. So haben wir auch bei Wind und Regen fast immer selber eines unserer leckeren Camping-Rezepte gekocht. Nur wenn wir a) Internet brauchten; b) keine Vorräte mehr hatten; oder c) lokales Essen (z.B. Curanto auf Chiloe) probieren wollten, sind wir essen gegangen.

Kosten

Man lebt nur einmal! Und so wurde unser Trip doch deutlich teurer als geplant. Vielleicht etwas leichtgläubig hatten wir in unserem Budget keine Auto-Reparaturen eingeplant, die Ausstattung unseres Autos (z.B. hochwertige Campingkühlbox) war kostspieliger und Argentinien einfach teuer. Außerdem haben wir an Touren, Eintrittsgeldern und sonstigen Aktivitäten wenig gespart. War es das wert? Auf jeden Fall. Hoffentlich werden uns die Erinnerungen viel länger begleiten, als dass wir brauchen, um das zusätzliche Budget zurückzuverdienen!

Unsere Highlights

 

  • Ausblick auf das atemberaubende Bergpanorama vom UFO-Landeplatz Enladrillado
  • Nicht nur die Besteigung und das nächtliche Glühen des Vulkan Villarica wird uns positiv in Erinnerung bleiben, sondern auch der Ort Pucon
  • Weihnachten bei Vollmond in den Termas Los Pozones bei Pucon
  • Zusammen mit Max waren wir an einer der schönsten Buchten auf unserer kompletten Reise, der Bahia Manzano
  • Ein Silvester wie in Chepu auf Chiloe werden wir sicherlich nie wieder erleben
  • Ich wollte schon immer Wale sehen, somit sind die Blauwale vor Chiloe ganz klar eines meiner absoluten Highlights
  • Für jeden der mit einem eigenen Fahrzeug unterwegs ist, ein Must-Do: Die Carretera-Austral
  • Vollkommen unerwartet überraschte uns der Sendero Bosque Bonito, wo uns am Ende eine türkisblaue Lagune mit riesigen Eisschollen unter einem Hängegletscher für die Anstrengungen belohnte
  • Das Kalben des Gletschers Perito Moreno und die nachfolgende Eiswanderung auf dem Gletscher sind zwei unvergessliche Erlebnisse
  • Der Nationalpark Torres del Paine kann sicherlich in keiner Highlight Liste zu Argentinien & Chile fehlen. Unsere schönsten Wanderungen hier waren durch das Valle Francés und zum Gletscher Grey
  • Wanderung im Nationalpark Tierra del Fuego hoch zum Cerro Guanaco mit einem einmaligen Blick auf den Beagle Kanal
  • Noch nie vorher Downhill gefahren und dann eine spektakuläre Mountenbike-Tour am Cerro Cathedral zusammen mit Simon erlebt
  • Das unerwartete Farbspiel der Vulkanlandschaft im Nationalpark La Payunia
  • Statt zur Plaza Frances am Fuße des Aconcagua machten wir eine grandiose Wanderung zur Spitze des Banderitas Norte
  • Unvergesslich abwechslungsreiche, farbenfrohe und atemberaubende Steinformationen am Grenzübergang Paso Agua Negra

Wo es auf einer langen Reise viele positive Eindrücke und Überraschungen gibt, bleiben einige Enttäuschungen leider nicht aus.

Unsere Lowlights

 

  • Zum Nationalpark Laguna del Laja sind wir fast einen kompletten Tag von der Küste rübergefahren, das hätten wir uns auch getrost sparen können, denn besonders spektakulär war die Vulkanlandschaft dort nicht.
  • Die Pinguine im Parque Nacional Monte León – weit weg und verdammt langweilig – auch wenn sich die Landschaft gelohnt hat.
  • Unser Besuch bei den Überresten der größten Dinosaurier der Welt in Villa El Chocón war als Highlight geplant, endete jedoch als absolute Enttäuschung
  • Die „verlorene Küste“ bei Raul Marin Balmaceda wirklich komplett verloren.
  • Müllhalde trifft grauenhaft: Die Küste bei Puerto Deseado, der Top Griff ins Klo
  • Wandern auf nicht auffindbaren Wanderwegen in einem nicht erkennbaren Nationalpark auf Chiloe.
  • Wenn sich zwischen Oktober und Dezember die Wale mit ihren Jungen in der Bucht tummeln oder Orcas am Punta Norte Seelöwenbabys jagen sicherlich ein Highlight wir haben hiervon jedoch nichts gesehen und so war die Peninsula Valdes im Februar nett, aber nicht die Fahrt von knapp 1.000 km wert.
  • Die Königspinguin-Kolonie bei Onaisin war extrem unspannend und definitiv nicht den Umweg wert!
  • Der krasse Gegensatz zur Wanderung zum Cerro Guanako: Die Wanderung zum fast nicht mehr vorhandenen Martial-Gletscher in Ushuaia war fade, langweilig und null interessant.
  • Die argentinische Ruta Nacional 3 ist mit 3.045 Kilometer eine der längsten Straßen der Welt, aber sicherlich für uns kein Highlight, sondern führte an fast allen unserer Lowlights entlang.

Chile & Argentinien als Reiseländer

Reisen mit dem eigenen Auto bedeutete für uns, stets im direkten Kontakt mit Land, Kultur und Leuten zu sein. Was zeichnet die beiden südamerikanischen Länder aus? Welche Unterschiede gibt es zwischen Chile und Argentinien? Was war kurios, nervig oder einfach interessant?

Gastfreundschaft

San Juan08Krass! Einfach unglaublich. Wir sind in beiden Ländern fast immer unheimlich offen empfangen worden, haben super nette und hilfsbereite Leute kennengelernt und uns immer wieder über diese bedingungslose Freundlichkeit gefreut. Obwohl viele Leute sehr wenig besitzen und kein einfaches Leben haben, sind sie extrem lebensfroh und haben unglaublich gerne geteilt, gegeben und geschenkt.

Essen, Preise, Sport

Sowohl in Argentinien als auch Chile geht nichts über ein ordentliches Asado, wobei man in Argentinien eher Parilla (wichtig: sprich Parischa) sagt. Auch scheint die Parilla in Argentinien deutlich wichtiger genommen zu werden und es wird eigentlich immer und überall alleine, mit Freunden oder der Familie gegrillt.

Ansonsten war die Cuisine beider Länder nicht so abwechslungsreich, hauptsächlich Deftiges aus Fleisch Reis, Kartoffeln, Bohnen und Mais +. ABER in Chile konnten wir super einkaufen und hatten meistens eine große Auswahl an frischem und köstlichem Obst und Gemüse, sodass wir meist selber gekocht haben. Überrascht waren wir jedoch vor allem in Argentinien von den aktuellen Preisen. Chile ist schon nicht besonders günstig, aber in Argentinien, wo die Leute nochmal deutlich weniger verdienen, sind Lebensmittel und auch andere Konsumgüter so teuer wie in Europa.

Leider ist insbesondere in Chile die Coca Cola Company sehr erfolgreich. So gibt es Cola & Co. gerne in 3 Liter Flaschen und dann auch noch im Dreierpack. So ist es wenig verwunderlich, dass Chile traurigerweise aktuell eines der Länder mit dem höchsten Diabetes II Anteil (über 10% der Bevölkerung leiden unter Diabetes II) ist.

Während in Chile kaum Sport getrieben wird, ist uns in Argentinien sehr positiv aufgefallen, dass Leute öfter mal joggen waren oder sich an den öffentlichen Sportgeräten betätigt haben.

Sicherheit

4 Monate unterwegs und nichts passiert!

Natur und Umweltschutz

Müll bei Puerto DeseadoBeide Länder warten mit spektakulären Naturhighlights auf, die es jede Mühe wert machen. Leider ist jedoch Argentinien durch fast 15 Jahre Wirtschaftskriese geprägt. So scheint zumindest wenig Geld für Umweltschutzmaßnahmen zur Verfügung zu stehen. Viele Nationalparks sind hier kaum mit ihren chilenischen Pendants vergleichbar. Auch scheint Chile deutlich weiter beim Recycling und mit einem allgemeinen Umweltschutzverständnis zu sein. Die meisten Argentinier gingen auf unserer Reise relativ sorglos mit ihrem Müll um, der durch den Wind über die gesamte Landschaft verteilt wird, sich an den Stränden sammelt und so in Seen und ins Meer gelangt. Eine Schande, denn dadurch wirkt die Küste einfach nur hässlich.

Verkehr

Kurz zusammengefasst: In Chile überhole ich regelmäßig, wohingegen ich in Argentinien von eigentlich jedem und überall überholt werde.

IMG_3198In Chile sind die geteerten Straßen meist in einem guten Zustand und Autofahren ist ziemlich entspannt. Zwar staut sich der Verkehr rund um Santiago häufig, trotzdem sind die meisten Autofahrer selbst hier kaum aggressiv. Außerhalb und besonders auf dem Land ist von Stress gar keine Rede mehr – was dann auch teilweise etwas nervig sein kann. Nur lassen Chilenen wohl sehr gerne den Blinker einfach stehen bzw. nutzen ihn nicht, so dass man sich nie darauf verlassen kann, ob der Vordermann (plötzlich) abbiegen wird oder nicht.

Argentinier machen dagegen auf der Straße ihrem Ruf als Hitzköpfe alle Ehre. Straßenschilder dienen ggf. als grobe Orientierung. Sollte man es dennoch einmal wagen, sich ansatzweise an die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten, wird wild hupend selbst in engen Kurven, an Berghängen oder notfalls bei Gegenverkehr überholt – der andere wird schon bremsen. Ebenfalls wird das „Rechts vor Links Gebot“ meistens durch das Recht des Stärkeren ersetzt, bzw. der, der an der Kreuzung zuerst zuckt, muss anhalten. Beeindruckend war die Geschwindigkeit, mit der die meisten über grauenhafte Straßen (der Zustand in Argentinien erinnert größtenteils an die DDR) jagen. Außerdem scheinen Argentinier Verkehrskontrollen zu lieben: Vor fast allen Ortseinfahrten und/oder -ausfahrten wird kontrolliert. Unser Trick war irgendwann, schon vor dem Kontrollposten, Fenster runter, Musik aus, Arm raus, Sonnenbrille ab und lächeln. So konnten wir uns zumindest meistens die lästige Tortur der Kontrolle ersparen.

Was aber beide Länder eint, ist eine unglaubliche Kreativität an Verkehrsschildern:

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