Die südlichste Stadt der Welt mit Traumausblick auf den Beagle Kanal
Nach der üblichen Polizeikontrolle am Ortseingang (wo kommen Sie her, wo wollen Sie hin + ein wenig bla bla) kommen wir in Ushuaia an. Die südlichste Stadt der Welt ist abgesehen davon, dass sie eben die südlichste Stadt ist, nicht viel zu bieten. Sie ist hässlich und besteht primär aus einem riesen Hafen sowie jeder Menge Touristen-Ripp-Off-Läden. Somit fahren wir, nachdem wir kurz das Internet der Stadt genutzt haben, um unsere Spotify-Playlisten zu erneuern, weiter in den Parque Nacional Tierra del Fuego.
Nationalpark Tierra del Fuego
Im Parque Nacional Tierra del Fuego lassen wir den kostenpflichtigen Campingplatz Lago Roca aus (wer muss schon duschen) und fahren stattdessen auf den kostenlosen Stellplatz Rio Pipo. Eine super Entscheidung, denn hier ist kaum etwas los. Wir befinden uns inmitten einer Flussidylle mit (wilden?) Pferden und können – zwischen einigen Bäumen und ohne nervigen Wind – Feuer machen und in Ruhe schlafen.
Aufstieg zum Cerro Guanako
Nach einem wunderbar entspannten Frühstück in der Morgensonne fahren wir zum Ausgangspunkt unserer heutigen Wanderung, dem Sendero Cerro Guanako. Am Parkplatz vom Lago Roca angekommen, überkommt uns eine kurze Skepsis. Hier stehen ohne Ende Busse und spucken Touristen aus – so auch eine Gruppe Chinesen, die so etwa alles fotografieren, was ihnen vor die Linse kommt. Einer der Gruppe kann sich vor Glück kaum noch halten und springt – in seiner Chinafahne eingehüllt – umher, als hätte China gerade die Weltmeisterschaft gewonnen. Nach 5 Minuten laufen, ist jedoch von dem Affenzirkus nichts mehr zu sehen & hören (!) und wir sind in der stillen Natur.
Auf 5km Wanderung müssen – mit einigem auf und ab – knapp 1.000 Höhenmeter mit teilweise 30° Steigung sowie ein Sumpfgebiet überwunden werden. Wir steigen „Pole-Pole“ auf und kommen doch ganz schön ins Schwitzen. Oben angekommen sehen wir zwar keine Guanakos, aber haben einen grandiosen Panoramablick auf den Beagle-Kanal (irgendwo hinter den Inseln liegt auch Cap Horn) – von Ushuaia über den Nationalpark mit seinen Seen und Flüssen bis ins Nachbarland Chile. Die Sonne scheint, wir finden eine windgeschützte Stelle und genießen die atemberaubende, meditative Stimmung für eine ganze Weile. Zusammen mit dem Ausblick vom chilenischen UFO-Landeplatz Enladrillado in der Reserva Nacional Altos de Lircay unser absolutes Highlight und es war jede Anstrengung wert, hier hoch zu kommen.
Auf dem Rückweg entdecken wir noch ein paar Spechte. Und wir sehen wieder das gleiche Bild wie bei fast allen anderen Senderos: irgendwie will JEDER hoch – unser heutiges Highlight: ein Herr in weißen Leinenslippern und ein Jugendlicher in hautenger Jeans, der mehr nach Disko als nach wandern aussieht. Unten angekommen, ist der Parkplatz mittlerweile so voll, dass uns irgendein A… zugeparkt hat, und wir nur mit 4×4, viel rangieren und eingeklappten Spiegeln das Volksfest irgendwie verlassen können.
Das Ende der Ruta 3 und Wochenend-Halligalli in Ushuaias „Stadtpark“
Wir machen noch einen kurzen Abstecher zum offiziellen Ende der Ruta 3 (nicht wirklich beeindruckend, aber wie alle anderen machen wir ebenfalls ein Foto) und fahren wieder zu unserem Stellplatz von gestern Abend – in Ruhe beim Grillen den Tag ausklingen lassen. Leider ist heute Samstag und anscheinend ist komplett Ushuaia unterwegs, um irgendwo im Park zu grillen. So ist unser Platz von gestern Nacht mittlerweile von einer Großfamilie besetzt und überall – wirklich überall – wird mit voll aufgedrehter Stereoanlage (wobei man nicht den Fehler machen sollte, die hiesigen Stereoanlagen mit den Analgen in Europa zu vergleichen) gegrillt. Nach langem Suchen finden wir doch noch einen Platz, der zumindest etwas Windschutz verspricht und so grillen wir zwischen Merengue-, Reggaeton- und Kirmistechnoklängen unser Abendessen. Als wäre das noch nicht genug, zeigt uns eine argentinische Jugendgruppe bis zum Frühstück, dass sie mindestens so laut feiern kann, wie ihr chilenischer Counterpart in Puerto Natales.
Das südlichste Skigebiet der Welt
Leicht gerädert machen wir uns also heute auf zum Martial-Gletscher. Laut Wanderführer wird uns eine „reizvolle Wanderung“ mit „grandioser Aussicht“ versprochen. Also auf ins Skigebiet von Ushuaia (nicht nur das südlichste Skigebiet der Welt, sondern auch das am tiefsten gelegene mit einer Talstation unter 300 Höhenmetern).
Der Weg folgt erst der Skipiste und dann etwas steiler der Moräne. Nach knapp 1,5 Stunden sehen wir … nicht viel. Der Gletscher war wohl mal spektakulär, aber ist mittlerweile kaum noch vorhanden und Ushuaia ist auch von oben nicht wirklich viel schöner.
Und wieder ab in den Norden
Nach dem typischen Tourifoto fahren wir von Ushuaia jetzt (fast) nur noch nach Norden (mit Vorfreude auf wieder besseres Wetter und weniger Wind). Da es in der südlichsten Stadt keine vernünftige Campingmöglichkeit gibt, wollen wir für die Nacht noch einmal in Tolhuin unterkommen. Hier eröffnet sich uns jedoch fast das gleiche Bild wie im Nationalpark Tierra del Fuego: Alle im Grünen und grillen und so sind die beiden Campingplätze vor Ort rappelvoll mit Familien. Da wir jedoch kein Feuer machen wollen (der Platzwart kann das komplett nicht verstehen – Camping ohne grillen, erscheint ihm absolut unlogisch), können wir im nahegelegenen Wald kostenlos stehen. Kein Wind der auf unser Dachzelt einprügelt oder Menschen, die ihre Stereoanlagen aufdrehen und so schlafen wir nach einer warmen Solardusche noch vor Sonnenuntergang friedlich ein.
Hallo Ihr Beiden,
wieder ein toller Bericht mit tollen Photos. Die Bilder vom Cerro Guanako sind spektakulär, da werde ich mich wohl auch hinauf quälen müssen 🙂
Ich habe an den Torres noch versucht, das Valley Frances zu besuchen, das schlechte Wetter machte mir allerdings einen Strich durch meine Rechnung. So ist mir statt wunderbarer Eindrücke nur eine fette Erkältung geblieben.
Bin jetzt in Punta Arenas und versuche, mir eine Antarktis-Fahrt zu organisieren.
Alles Liebe und bis bald
Thomas
Danke für Deinen Kommentar 🙂
In Ushuaia selbst gab es jede Menge „Last-Minute“ Angebote für Antarktisfahrten. Ggf. ist das ja auch eine Alternative, solltest Du in Punta Arenas nichts günstiges finden.
LG aus der Sonne kurz vor Peninsula Valdes (heute ist tatsächlich mal wenig Wind) und gute Besserung!
Kathrin und Felix