Argentinisches Patagonien – Land des Windes und des Mülls

Anita und Herbert aus Österreich, die wir am Vortag im Park getroffen haben, hatten uns den Circuito Costero als wunderschönen 30 km langen Küstenweg parallel zur Ruta 3 empfohlen, an dem die beiden auch sehr idyllisch und windgeschützt gecampt hatten.

Böse Überraschung auf dem Circuito Costero bei Puerto San Julián

Also auf nach Puerto San Julian. Während wir unser Auto auf dem Circuito malträtieren, kann von wunderschön und windgeschützt allerdings nicht die Rede sein. Der Wind kommt heute vom Land und somit können wir die Klippen nicht als Windschutz fürs Zelt nutzen. Wir erkunden die verlassenen Örtchen an der Küste, bis ein heftiger Sandsturm aufzieht, der von Starkregen abgelöst wird. Beides zusammen verleiht unserem Auto eine neue interessante Matschfärbung.

Hier kann es sicherlich ohne Wind bzw. Regen ganz schön sein, obwohl ich das persönlich bezweifele und eher glaube, hier handelt es sich um die Müllhalde der nahegelegenen Stadt San Julián. Wir verlassen also notgedrungen den Circuito Costero und folgen der Ruta 3 weiter nach Norden – konstant auf der Suche nach einem windgeschützten Platz. Bei einbrechender Dunkelheit erreichen wir den Ort Tres Cerros, der augenscheinlich nur aus einer Tankstelle mit angeschlossener Hotelrestauration besteht. Zwei andere Zelte stehen aber schon auf einer kleinen geschützten Rasenfläche hinter der Tankstelle und so gesellen wir uns mit unserem kleinen Zelt spontan dazu. Im Gegensatz zu den anderen Zelten hat unseres allerdings nur eine Wandlage und die ist auch noch knall gelb. So stelle ich, als ich mitten in der Nacht aufwache, verwundert fest, dass es noch nicht der Sonnenaufgang ist, sondern die Tankstellenbeleuchtung, die unser Zelt taghell erstrahlen lässt. Wir tragen das Zelt also samt Inhalt – sieht sicherlich richtig dämlich aus – an einen etwas dunkleren Platz und werden erst gegen 8 von zwei Hunden geweckt, die unbedingt ins Zelt wollen.

Abstecher zur Reserva Nacional Ría Deseado

Den Zufluss zum Ría Deseado hatten wir schon bei der Cueva de las Manos gesehen, damals noch ganz klein und sauber, warum also nicht das Mündungsdelta sehen. Vor allem, wenn es im Lonely Planet heißt: „Das von Sandklippen flankierte aquamarinblaue Wasser schafft ein Meerespanorama, das niemand so schnell vergisst“.

Puerto Deseado liegt knapp 125km von der Ruta 3 (unser Weg nach Norden) entfernt. Von diesen 125km sind 100km schnurgerade Straße, auf der es wirklich gar nichts zu sehen gibt und während Kathrin vor sich hin döst, sind die auf der Windschutzscheibe aufklatschenden Fliegen meine einzige Abwechslung.

Werkstattbesuch Nr. 4

Wir kommen in Puerto Deseado an und mit uns der Wind. An der Touristeninformation fällt mir auf, dass wir augenscheinlich Wasser verlieren, zumindest ist unter unserem Auto ein großer Wasserfleck und aus dem Motor tropft es. Nach ein wenig Rumgekurve (die Straßen bestehen hier wieder primär aus Einbahnstraßen) finden wir Eduardo – einen Mechaniker, der eigentlich mal Rennfahrer war. Bei Matetee und wirklich interessanten Gesprächen über Christina Kirchner, Argentinien sowie das Leben insgesamt, stellt sich raus, dass das Wasser wohl nur Kondenswasser der Klimaanlage ist. Aber da wir schon mal hier sind, lassen wir Öl und Ölfilter wechseln und unseren Luftfilter auspusten, was in der Halle einen mittleren Sandsturm auslöst.

Das Problem mit dem Wind

Im Anschluss steuern wir den Campingplatz Cañadon Giménez an, aber wer nicht gerade darauf steht, zwischen lauter Musik (es ist Samstag) und Müll zu schlafen, scheint hier falsch zu sein. Zu unserer Rettung gibt es noch den relativ sauberen Camping Municipal und so grillen wir unter unserem persönlichen Wetterschutz, während um uns herum das Unwetter tobt. In der Nacht wieder das gleiche Spiel wie schon vorgestern im Parque Nacional Monte León: Der Wind dreht und wir müssen mitten in der Nacht unser Dachzelt aufgeben und ins kleine Zelt ausweichen – jetzt kommt nur noch der Regen als Bonus dazu.

Kaffee bzw. Schwarztee sowie Müsli am Morgen helfen einigermaßen über die kurze und unruhige Nacht hinweg und so brechen wir zur Höhlenwanderung auf. Die hilfsbereite Dame der Touristeninformation hatte uns gestern diese Wanderung bei Ebbe sowie eine ca. 12km lange Fahrt zu verschiedenen Aussichtspunkten entlang der Küste ans Herz gelegt.

Die vom Meer ausgespülten Höhlen sind ganz nett, aber eigentlich kaum die Mühe wert. Auch ist die „Panoramafahrt“ eher mau. Vielleicht haben die Redakteure vom Lonely Planet auch ein anderes Puerto Deseado gemeint. Uns zumindest nervt der Wind und überall liegt Müll.

Das Problem mit dem Müll

An fast allen Stellen, an denen wir nächtigen, sammeln wir den umliegenden Plastikmüll ein, aber hier… keine Chance! Ich verstehe einfach nicht, warum Menschen ihren ganzen Dreck nicht wieder mitnehmen und entsorgen können. So wie es scheint, ist der Weg zum nächsten Mülleimer immer etwas zu weit. Dabei stehen hier an jedem Grillplatz, an jedem Strand und auf der Ruta 3 alle paar Kilometer Mülleimer. Zumindest haben wir das Gefühl, entlang der argentinischen Küste kaum einen nicht verdreckten Platz zu finden.

Wobei ich hier gar nicht ausschließlich auf die Argentinier mit dem Finger zeigen will. Bis auf Dubai City begleitet uns Müll schon auf der ganzen Reise und zu Hause ist es auch nicht immer besser. So werfen selbst vermeintlich umweltbewusste Leute ganz selbstverständlich ihre Kippen auf die Straße oder in den Gulli. Auch Plastikverpackungen werfen viele gedankenlos auf die Straße – wird ja von jemandem weggeräumt – wenn’s nicht vorher im Fluss landet und davon gespült oder von Tieren gefressen wird…

Reg ich mich über Müll einfach zu Unrecht auf und in unserer Gesellschaft ist Müll an Stränden, im Wald oder der Stadt mittlerweile so normal? Gehört es ggf. sogar zur modernen Gesellschaft dazu, dass alles ein wenig nach Müllhalde aussieht? Scheiß drauf, dass allein jedes Jahr 8 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren landen, fast alle Nordsee-Vögel Müll im Bauch haben und Fische den Mikroplastik aufnehmen – die wir dann wieder essen. Als Tritin 2003 den Dosenpfand einführt war ich geschockt, kein leckeres Dosenbier mehr. Aber mittlerweile bin ich ihm – trotz aller Unlogik, warum für Saft kein Pfand zu zahlen ist, etc. – für den Dosen- und PET-Flaschen-Pfand sehr dankbar und vielleicht führt ja Berlin irgendwann auch mal wie Paris Strafen von 160 € pro fallengelassener Zigarette ein.

Nach diesem gedanklichen Diskurs, der mich schon seit längerem aufregt, verbringen wir noch eine Nacht auf dem Camping Municipal. Dieses Mal sind wir aber so schlau und schlafen direkt im kleinen Zelt.

Eine Antwort zu “Argentinisches Patagonien – Land des Windes und des Mülls

  • Hallo Ihr Beiden,
    ich stimme Euren Bemerkungen über den Müll absolut zu und habe es ebenso empfunden, als ich die Ruta 3 gen Süden fuhr. Sind Autowracks und verrostete Schiffe vielleicht noch pittoresk ist der Plastikmüll eine Pest. Selbst in Mülleimer geworfen entwickelt der leichte Stoff gern ein Eigenleben und fliegt von den patagonischen Winden getrieben über Land und Meer. Und ich gehe mal davon aus, dass wir den größten Teil des Problems gar nicht wahrnehmen, weil das Plastik in fernen Estancias oder eben im Meer landet.
    Warum beispielsweise wird hier meine heißgeliebte Nutella in Plastikgefäßen verkauft statt in Glas? Wenn ich insbesondere in Argentinien die beim Einkauf aufgedrängten Plastiktüten dankend ablehne, in fragende Gesicht schaue und bei dem Hinweis, dass viele davon im Meer landen und dort erheblichen Schaden anrichten ein Lächeln ernte, ist verständlich, dass es noch ein langer Weg sein wird.

    Auch ich mache mich heute auf den Weg nach Norden, zunächst auf der 3, dann nach Westen Richtung Chile Chico. Liebe Grüße
    Thomas

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