Atemberaubende Berglandschaft rund um den höchsten Gipfel Amerikas

Dank der gestrigen Wein-Fahrradtour findet der heutige Tag deutlich langsamer statt. Wir verbringen den Vormittag in der Sonne und erst nach einem ausgedehnten Mittagessen, brechen wir gemütlich zum Nationalpark Aconcagua auf. Statt dem direkten asphaltierten Weg entscheiden wir uns für eine als landschaftliche reizvoller beschriebene Route Richtung Anden. Erst auf der Strecke stellen wir fest, dass sich die Straße abenteuerlich die Berge hoch und runterwindet und sich gefühlt endlos zieht, während es langsam dunkel wird. Der aufziehende Regen zerschlägt unseren Plan, sich irgendwo entlang der Strecke mit unseren Zelten niederzulassen. Also kämpfen wir uns durch Dunkelheit, mitstreckenweise dichtem Nebel, bis wir nach über 3 Stunden die gut 100km zum nächsten Ort zurückgelegt haben. Hier haben wir zumindest Glück: Wir finden sofort einen geöffneten Campingplatz. Zu später Stunde (wir sind offensichtlich die letzten die sich noch nicht ins Zelt verkrochen haben) zaubert Martin trotz Regen noch einen leckeren Fleischeintopf und bereichert damit unsere Rezepte-Ecke mit einem neuen Camping-Rezept.

Wie wir am Anstieg zum Cristo Redentor verrecken

Ausgeruht fahren wir am nächsten Morgen weiter in das Hochland der Anden. Ein beeindruckender Canyon, der sich durch noch beeindruckendere Berge und Felsgiganten schlängelt, führt über knapp 100km bis zur chilenischen Grenze. Neben dem Anblick des Aconcagua erwarten uns entlang der Strecke zwei weitere Highlights: Die Puente del Inca, eine auf natürliche Weise aus schwefelhaltigem Themalwasser entstandene Brücke, und der Cristo Redentor, der auf knapp 4000m Höhe an das friedliche Ende eines Grenzstreits zwischen Chile und Argentinien 1902 erinnert.

Letzterer strapaziert etwas unsere Nerven. Auf einer unbefestigten, teilweise sehr engen, mit Haarnadelkurven gespickten Straße geht es steil bergauf. Anscheinend etwas zu steil für unser Auto, denn kurz vor dem Ziel kommt nur noch schwarzer Qualm aus dem Auspuff und vom Bi-Turbo ist nichts mehr zu spüren – der alte Clio vor uns fährt währenddessen seelenruhig weiter. Während Busse in beide Richtungen Schlange stehen, müssen wir in 20 Zügen wenden und wieder bergab fahren. Leicht frustriert legen wir am Fuße des Berges eine Pause ein und gehen auf Fehlersuche. Seit der letzten Reinigung des Luftfilters bei Eduardo in Puerto Deseado ist anscheinend schon wieder viel Dreck angesaugt worden. Zumindest ist der Filter nicht mehr weiß, sondern ockerfarbig und die ein oder andere Fliege hat hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Mithilfe unseres kleinen Luftkompressors pusten die Martin und Felix den Filter ordentlich durch und wir beschließen, es erneut zu versuchen. Und siehe da, dank Reinigung und Felix Fahrkünsten schaffen wir es diesmal bis ganz nach oben. Belohnt werden wir mit einem grandiosen Ausblick.

Da es an Campingmöglichkeiten mangelt, verbringen wir die Nacht vor unserer geplanten Wanderung kurzerhand in einem nahegelegenen Hostel. Wir wollen am nächsten Tag bis zur Steilwand des Aconcagua wandern – auf Empfehlung eines ehemaligen Nationalpark-Rangers. Von Matthias, dem freundlichen Eigentümer des Hostels, erfahren wir jedoch, dass dies etwas zu ambitioniert ist. Die knapp 50km inkl. 1.500 Höhenmetern (uns hatte der Ranger etwas von knapp 20 erzählt) sind unmöglich an einem Tag zu schaffen. Und die Wanderung selbst sei nicht wirklich die Strapazen wert, wenn man es nicht bis zur 3000m hohen Felswand schaffe. Zum Glück hat Matthias attraktive Alternativen parat. Somit schießen wir unsere umständlich ergatterten Wandererlaubnisse in den Wind und machen uns nach einem geselligen Abend und der Zubereitung unseres Wanderproviants auf weniger ausgetretenen Pfaden zum Gipfel des Banderitas Norte auf.

Aufstieg zum Banderitas Norte

Das Gebirge ist Teil eines militärischen Sperrgebiets (von hier aus wollten die Argentinier 1979 Santiago im Rahmen der Operation Soberanía besetzen) und so müssen wir uns am frühen Morgen zunächst die Zutrittserlaubnis bei den Wache schiebenden Soldaten besorgen – ebenfalls bürokratisch, aber nichts im Vergleich zu dem Prozess im Nationalparkbüro. Als wir lostrotten schließt sich ein Hund unverhofft unserer Wandergruppe an. Einen eindeutigen Weg finden wir zwar nicht, aber wir wissen ungefähr wo es langgehen soll. Also folgen wir verschiedenen Wildwechseln stetig bergauf. Als wir einen kleinen Wasserfall erreichen, sind wir uns sicher, den Hauptweg gefunden zu haben. Kurz danach verläuft sich dieser allerdings wieder in der Vielzahl an Wildwechseln und wir krakseln weiter der Nase nach. Doch es wird immer steiler. Nach einigem Hin- und Herüberlegen, schlagen wir lieber einen weiteren aber nicht so steilen Bogen ein – uns siehe da: Ein Pfad mit Fußspuren tut sich wieder auf. Dieser teilt sich im weiteren Verlauf zwar nicht mehr ganz so häufig, dafür wird die Strecke immer abenteuerlicher. An steilen Abhängen entlang geht es über Steine und rutschiges Geröll. Wanderweg würde ich das nicht mehr nennen, aber dafür sind die Aussichten entlang der Strecke spektakulär. Je höher wir kommen, desto deutlicher bekommen wir die dünne Luft zu spüren und wir müssen nach wenigen Schritten immer häufiger Pausen einlegen. Doch das Ziel ist in Sicht – denken wir. Als wir mit Ach und Krach am vermeintlichen Gipfel ankommen, realisieren wir, dass hier nicht das Gipfelkreuz steht, sondern Antennen des Militärs. ABER von hier ist das tatsächliche Gipfelkreuz nur noch ein Katzensprung – für uns in der Höhe allerdings doch noch eine Herausforderung. 30 Min später können wir dann endlich den Blick auf den Aconcagua genießen. Das „Dach Amerikas“, wie der ehemalige Vulkan gern genannt wird, ist mit 6962m der höchste Gipfel der westlichen Hemisphäre. Erschöpft und glücklich packen wir unsere Haferflocken-Pfannkuchen fürs Gipfelpicknick aus. Da Martin und Felix stets Angst haben, dass sie nicht satt werden, haben wir 6 dicke Pfannkuchen mit hochgeschleppt. Das „Elbenbrot“ entpuppt sich allerdings als so reichhaltig, dass jeder von uns nach Einem papp satt ist. Unser treuer vierbeiniger Wegbegleiter scheint ebenfalls erschöpft, interessiert sich aber erstaunlicherweise überhaupt nicht dafür, ob etwas von unserem Essen für ihn übrigbleibt.

Zum Abstieg ziehen sich die Wolken langsam zu und der Wind wird immer stärker. Auf dem Geröll und den abschüssigen Pfaden rutschen wir immer wieder aus und müssen vor starken Böen in Deckung gehen. Großen Respekt haben wir vor meinem Bruder, der statt Wanderschuhe die guten Zalando-Schuhe trägt und dennoch die Strecke prima meistert. Bergab ist der Hauptpfad deutlich leichter zu erkennen und je weiter wir absteigen, umso freundlicher wird auch wieder das Wetter. Zum Schluss bekommt unser Wanderhund doch noch eine große Portion Pfannkuchen und wir erfahren, dass der Straßenhund immer die Wanderer auf dieser Strecke begleitet.

Obwohl wir wirklich sehr kaputt sind und wir die Anstrengung in der Höhe in Kopf und Körper merken, machen wir uns noch auf den Rückweg zum Campingplatz in Uspallata, wo wir uns mit einer heißen Dusche und einem herzhaften Abendessen belohnen, bevor wir todmüde in den Schlafsack kriechen.

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